Unterwegs

Unsere Erfahrungen in der Montessori Grundschule „Wichernschule“

Am Mittwoch haben einige Schülerinnen und Schüler aus unserem Pädagogik-Grundkurs der Q2 von Frau Tilmes eine Grundschule in Unterbach besucht, in der nach der Montessori-Pädagogik unterrichtet wird.

Die Montessori-Pädagogik, als ein reformpädagogisches Konzept, ist fokussiertes Schwerpunktthema im Zentralabitur 2018. Um dieses Unterrichtsthema „erlebbar“ zu machen, haben wir uns überlegt, eine Montessori-Grundschule zu besuchen und somit Einblicke in die Lernsituationen zu erhalten, die wir theoretisch besprechen. Die Merkmale des reformpädagogischen Konzeptes bzgl. Freiarbeit, Entwicklungsmaterialen, vorbereitete Umgebung und Erzieherrolle waren uns aus dem Unterricht bereits bekannt, doch „live“ zu erleben, wie die Montessori-Pädagogik im Schulsystem umgesetzt wird, war interessant.

Pünktlich um 8:30 Uhr trafen wir uns auf dem Schulhof der Grundschule.

Sind die Kinder wirklich so tief versunken in ihre Arbeit, wie Montessori es mit den Worten der „Polarisation der Aufmerksamkeit“ beschreibt? Erreichen die Kinder in den Freiarbeitsstunden ihre selbst gesetzten Lernziele? Und wie funktioniert der klassenübergreifende Unterricht?

Mit diesen und noch viel mehr Fragen begaben wir uns jeweils zu viert in die Klassen des Montessorizweigs und wurden für zwei Unterrichtsstunden zum „stillen Beobachter“ des Geschehens.

Die Schulleiterin gab uns zunächst ein paar grundlegende Informationen über die Schule, so z. B., dass Inklusion hier eine große Rolle spielt. In nahezu allen Klassen werden Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet. Diese Behinderungen beziehen sich sowohl auf geistige und körperliche, als auch auf psychosoziale Handicaps. „Gemeinsam lernen“ ist das Motto. Der einzige Unterschied zu Kindern ohne Einschränkungen besteht darin, dass einige „Inklusionskinder“ sogenannte Integrationshelfer haben, die ihnen durch den Tag helfen. Diese Betreuer helfen den Kindern z. B. bei Konzentrationsproblemen, Interaktionsschwierigkeiten oder beim Händeln des Rollstuhls.

Auf den ersten Blick fallen eindeutige Unterschiede zu Nicht-Montessori-Schulen auf. In allen acht Klassen der Schule wird jahrgangsübergreifend unterrichtet, d. h dass Kinder vom ersten bis vierten Schuljahr gemeinsam einen Klassenverband bilden.

Die Klassenräume sind allgemein sehr bunt gestaltet und verfügen über eine Vielzahl von Entwicklungsmaterial, welches in verschiedenen offenen Regalen zur Verfügung steht. Z. B. Sandbuchstaben, Perlenketten, Gewichte, Stecktafeln und vieles mehr.

Für jeden Entwicklungsstand gibt es getrennt nach Fächern, verschiedene Lernmaterialien. Auf den ersten Blick ist nicht erkennbar, welches Kind in welcher Jahrgangsstufe ist, da jedes Kind individuell je nach Entwicklungsstand, unabhängig von seinem Alter oder seiner Jahrgangsstufe, auf „passendes“ Material zugreift.

Zunächst sollten wir lediglich auf unseren Plätzen sitzen, und nur Fragen stellen oder beantworten, wenn die Kinder uns ansprachen, damit wir ihre Aufmerksamkeit nicht stören. Die Lernprozesse der Kinder ließen sich von unserem Platz, (in der Mitte des Raumes) aus gut beobachten. Manche Kinder haben sich kleine Teppiche geholt und im vorderen Bereich der Klasse auf ihnen ihr Material ausgebreitet und daran gearbeitet. Die meisten saßen jedoch an ihren Plätzen und arbeiteten dort mit ihrem Material.

Es gab in diesem Klassenraum die unterschiedlichsten Entwicklungsmaterialien, die in den vielen Regalen gelagert wurden. Diese Regale waren nach Fachbereichen aufgeteilt. Die Kinder haben sich selbstständig das Material genommen, welches sie benötigten und brachten es nach der Bearbeitung wieder zurück in das entsprechende Fach.

Auf dem Lehrerpult stand eine Box, in die die Kinder sowohl Hausaufgaben, als auch im Unterricht bearbeitete Dinge legen konnten, damit der Lehrer sie durchsehen und korrigieren kann.

Im Klassenzimmer arbeiteten die Kinder an den verschiedensten Aufgaben: Ein Kind hat zum Beispiel mit Spielgeld rechnen geübt. Es gab eine „Kasse“ in der sowohl Papier-Geld-Scheine als auch Münzen lagen. Im dazugehörigen Arbeitsheft standen verschiedene Rechenaufgaben, die das Kind mithilfe des Materials gelöst hat.

Ein anderes Kind hatte auf seinem Teppich ein „Hunderter-Brett“ aufgebaut. Dieses Brett ist ein quadratisches Holzbrett, auf dem das Kind die Zahlen von Eins bis Einhundert in die richtige Reihenfolge bringen sollte.

Ausgehend von der Theorie zur Montessori-Pädagogik wissen wir, dass Kinder sich frei entscheiden können mit welchem Lerninhalt sie sich beschäftigen möchten. In der Realität ergeben sich hier jedoch Schwierigkeiten, weil viele Kinder mit zu viel Selbstständigkeit überfordert sind. Von daher führen alle Kinder individuelle Lerntagebücher, in denen für jede Woche ein Wochenplan, Wochenziele und Pflichtaufgaben notiert sind. Diese Lerntagebücher führen die Kinder zusammen mit den Lehrern, die gemachte Aufgaben abhaken und nicht gemachte Aufgaben für die nächste Woche eintragen.

Innerhalb des Plans können die Kinder selbst entscheiden, wann sie welche Aufgabe erledigen wollen. Zum Ende der Woche müssen jedoch alle aufgetragenen Aufgaben geschafft sein.

Zum Ende der Freiarbeitsphase wurde als Ritual die sogenannte „Aufräum-Musik“ gespielt und alle Kinder fingen selbstständig an, ihre Materialien wegzuräumen. Sobald alle fertig waren, begann die Frühstückspause, in der die Kinder zusammen mit den Lehrern frühstücken, während diese ein Buch vorlas.


Hannah Adam