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Die Doppelnatur des Menschen

 - die Oberstufentheater-AG des Marie-Curie-Gymnasiums führt erfolgreich „Jekyll und Hyde“ auf

Ende letzten Jahres ließ eine Botschaft aus China die Weltöffentlichkeit aufhorchen: Ein chinesischer Wissenschaftler behauptete, dass Erbgut zweier Embryonen eines kinderwilligen Paares genetisch verändert zu haben, um die Kinder gegen das HI-Virus zu immunisieren. Eine Grenze war überschritten. Erstmals experimentierte ein Wissenschaftlicher mit dem Erbgut des Menschen. Die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft, die Frage, ob ein Wissenschaftlicher die Folgen seiner Experimente kontrollieren könne, ist somit hochaktuell. Und damit besitzt auch das Theaterstück „Jekyll und Hyde“ große Aktualität, auch wenn der Plot dem vorherigen Jahrhundert entnommen ist und auf der Novelle „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ (1886) von Robert Louis Stevenson basiert. Denn eines vereint den chinesischen Wissenschaftler und die Hauptfigur Dr. Henry Jekyll: Sie experimentieren mit dem Menschen – und die Folgen sind unabsehbar.

Betritt der Zuschauer am 1.2.2019 die Aufführung „Jekyll und Hyde“ der Oberstufentheater-AG des Marie-Curie-Gymnasiums in der Aula des Gymnasiums Gerresheim, wird er bereits durch eine Bildinstallation mit dem Thema des Stückes konfrontiert: Gut und Böse, die einen unablässigen Kampf im Menschen führen. Schwarz-Weiß-Fotografien der Darsteller sind in schneller Folge in einer Slideshow aneinandergefügt, sodass die freundliche Mimik eine jeden Darstellers sogleich durch eine verzerrte Mimik abgelöst wird und den Zuschauern die Facettenhaftigkeit des Menschen vor Augen führt. Aus den Gesichtszügen des Menschen wird so eine wechselhafte Maske. Was in der antiken Tragödie der Chor war, ist hier ein Voiceover, das den Handlungsrahmen und den existentiellen Hintergrund der Handlung vorstellt. Eine beschwörende Stimme leitet in das Geschehen ein und weckt Spannung. Dr. Jekyll betritt die Bühne, sehr präzise gespielt von Lennart Klein, und bekundet seinen Willen, die menschliche Seele von ihren dunklen Kräften zu befreien, auch wenn er dafür ethische Grenzen überschreiten müsse. Der Abscheu der feinen Gesellschaft des viktorianischen Zeitalters ist ihm gewiss, überzeugend dargestellt von Alicem Susam (Sir Danvers Carew), Malte Markard (Simon Stride), Phoebe Gurbin (Lady Theodora Savage), Jan Kirschke (Bischof von Basingstoke), Ann-Kathrin Link (General Lord Glossop), Marianna Stafilaraki (Lady Beaconsfield), Vanessa Arimondi (Sir Archibald Proops), Aaron Ehnes (John Utterson) und Charlotte von Jordan (Margret). Den Zivilisationsanspruch der viktorianischen Gesellschaft verkörpert besonders Henrys Verlobte Lisa Carew, bemerkenswert gespielt von Maren Hommel. Dr. Jekyll erfindet ein Elixier, mit dem man den dunklen Seelenteil des Menschen von der guten Seite abspalten kann. Und er erschafft ein Monster, das er nicht mehr kontrollieren kann: Edward Hyde, grandios gespielt von Malte Fischbach, der in seiner Interpretation der Figur insbesondere deren manische Züge hervorhebt. Hyde zieht nun mordend umher und sucht dabei eine Welt auf, in der im viktorianischen Zeitalter der abgespaltene dunkle Persönlichkeitsanteil Gestalt gewinnt: die Welt der Bordelle und Zuhälter. Die Seelennot der Prostituierten, ergreifend gespielt von Leonora Sopa (Nellie) und Lucy Jahnke (Lucy), trifft auf die Rohheit ihres Zuhälters, treffend dargestellt von Alicem Susam (Spider). Weitere Darsteller der gelungenen Inszenierung der Unterwelt: Charlotte von Jordan (Hure/Molly/Gast), Sina Geerken (Hure/Penny/Gast), Jamie Weiß (Kunde/Priester), Renske Zufacher (Bill/Gast), Jan Kirschke (Händler) und sehr couragiert David Schmidt-Bleker (Nellies Sohn/Zeitungsjunge).

Das Bühnenbild sticht hervor durch großartige Lichteffekte, die im Bühnenraum eine magische Stimmung erzeugen. Nicht minder tragen großartige Kompositionen der Schüler (Aaron Ehnes, Malte Fischbach, Julian Küsters) zur Atmosphäre der Inszenierung bei, die live bei der Aufführung vorgetragen wurden durch Julian Küsters (Klavier), Lara Komischke (Geige), Marie Gerber (Bratsche), Elias Krebs und Friedrun Schauer (Cello), Albert Wietheger und Aaron Ehnes (Gitarre/Bass), Tabea Cordes (Klarinette), und Niklas Ehnes (Percussion). Die musikalische Leistung der Schüler auf hohem Niveau trug auf jeden Fall zum Erfolg der Inszenierung bei. Überdies gab es mit Unterstützung von Carola Kardamanides eine effektvolle tänzerische Einlage. Mitwirkende: Ana Begusiç, Paulina Grüneke, Lucy Jahnke, Frauke Reiter, Sina Geerken und Leonora Sopa.

Das schöne Bühnenbild wurde gestaltet von Lucy Jahnke, Marianna Stafilaraki und Sina Geerken mit Unterstützung von Alexandra Becks und Lena Reineke. Zuständig für die Maske waren Chiara Gangi, Colien Sczepanek und Laura Rukavina. Plakat, Flyer und Eintrittskarten entwarf Luis Wedekind. Besonderer Dank gilt dem Verein der Freunde des Marie-Curie-Gymnasiums für die finanzielle Unterstützung und dem Gymnasium Gerresheim für die Möglichkeit, dessen Bühne zu nutzen.

Im Stück gerät Dr. Jekylls Experiment außer Kontrolle. In der Realität wird es der Menschheit hoffentlich gelingen, die Folgen des wissenschaftlichen Fortschritts zu kontrollieren. Am Ende gab es jedenfalls tosenden Applaus und stehende Ovationen vom Publikum, der vor allem auch der Regieassistenz Deborah Palder und der Gesamtleitung Rebekka Bolz galt.

Dr. Sebastian Soppa

Einige Impressionen findet ihr/ finden Sie hier: